Bei der Suche nach einem Gute-Laune-Partyspiel erregte der Satz „Was Sie schon immer über ihre Freunde wissen wollten, sich aber bisher nicht zu fragen wagten“ meine Aufmerksamkeit. „Na klar“, dachte ich, „das wäre genau das Richtige. Das nehme ich“. Kennenlernspiele fand ich immer schon sehr unterhaltsam. Das Spiel meiner Wahl, Privacy 2, so die Erklärung eines freundlichen Verkäufers, sei eine Neuauflage des gleichnamigen Vorgängers.
Man habe mit Hilfe einer Online-Umfrage den Fragenkatalog erneuert. Verlauf und Ziel des Spieles habe sich nicht verändert. Ausdrücklich machte der Verkäufer darauf aufmerksam, dass Privacy 2 kein Familienspiel sei, sondern eher junge Erwachsene anspreche. Neugierig geworden, habe ich es mitgenommen, obwohl ich eher zu den älteren Erwachsenen zähle.
Die Regeln des Spiels sind eher trivial. Man spielt es vorzugsweise mit vielen Teilnehmern, mögliche Höchstgrenze sind zwölf Spieler. Der Amigo-Verlauf empfiehlt fünf bis zwölf Spieler.
Zum Spiel gehören neben einem Spielbrett und einem Stoffbeutel insgesamt 120 Holzklötzchen (60 schwarze und 60 orangene), 12 Einstellscheiben, 12 Spielfiguren, 12 Sichtschirme und 90 Fragekarten. Ziel des Spiels ist es, die anderen Mitspieler möglichst korrekt einzuschätzen und alsdann als Sieger mit der Spielfigur das Zielfeld zu erreichen. In jeder Spielrunde antworten die Mitspieler verdeckt auf Fragen, die mit Hilfe der Fragekarten jeweils bestimmt und von einem Spieler vorgelesen werden.
Diese Fragen können nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, indem jeder Spieler hinter dem Sichtschirm ein orangenes oder schwarzes Spielklötzchen in den Stoffbeutel legt. Orange steht für Zustimmung, Schwarz für Ablehnung. Anschließend versucht jeder Spieler die anderen und deren Antworten einzuschätzen. Er tippt auf die Anzahl der Zustimmungen zur Frage mit Hilfe seiner Einstellscheibe, auf der sich die Zahlen von 0 bis 12 befinden.
Derjenige, dessen Einstellscheibe die korrekte Anzahl der Zustimmungen anzeigt, erhält zur Belohnung 3 Punkte und seine Spielfigur zieht auf dem Spielbrett 3 Felder weiter. Wer sich nur geringfügig, nur um eine Ja-Stimme, verschätzt hat, erhält immerhin noch 1 Punkt und dessen Spielfigur zieht ein Feld weiter Richtung Ziel. Ganz einfach!
Während unseres ersten Spiels stellte sich dann aber sehr schnell heraus, dass hier der Weg das Ziel ist. Es ist völlig zweitrangig, wer als Erster im Ziel ist. Fast traurig war der Sieger, weil er für das Ende des Spieles verantwortlich war. Und das, obwohl ich während des Spielverlaufs doch meine Zweifel hatte, ob nicht jeden Augenblick einer der Mitspieler peinlich berührt oder gar wutentbrannt den Spieltisch verlassen würde. Privacy 2 ist keinesfalls geeignet für empfindliche Gemüter. Der Grund für all die überraschenden Erkenntnisse, die hitzigen Debatten, das Gelächter und den unendliche Spass sind die Fragen auf den Fragekarten.
Die Fragen sind bestenfalls harmlos, meistens brisant, schlimmstenfalls anrüchig, peinlich und sogar unangenehm aber auf jeden Fall immer reizvoll und witzig – wenn man über die passende Portion Humor verfügt und nicht allzu empfindlich ist. Die Frage, ob man seine Wäsche selbst wäscht, ob man mit Pflanzen spricht, ob man im Dunkeln Angst hat, ob es stimmt, dass Männer besser Auto fahren können als Frauen oder ob man lieber einen anderen Beruf ausüben würde, gehören zweifelsfrei zu der harmlosen Variante.
Brisant sind Fragen nach heimlichen Tattoos oder Steuerhinterziehung. Ob man jemals Fusspilz hatte oder schon mal jemandem ins Essen gespuckt hat. Als anrüchig wurden die Fragen empfunden, ob man jemals Sex mit Partnertausch gehabt oder seinen Partner geschlagen habe.
Der ein oder andere Mitspieler hat auf Fragen wie „ich sehe mich ungern nackt im Spiegel“ oder „ich pinkle zuweilen unter der Dusche“ doch mit leichtem Erröten reagiert. Den größten Lacher erzielte die Frage, ob schon jemals der eigene Urin getrunken wurde. Fragen, zu deren Beantwortung man in leicht alkoholisiertem Zustand durchaus leichter zu motivieren ist.